In Schweden geht nichts ohne „Personnummer“, die einen zur Teilnahme am öffentlichen Leben berechtigt. Also machen wir uns am 16. September auf den Weg zum zuständigen Amt, um solche eine Nummer zu beantragen. Im Wartesaal sitzen bereits viele Männer und Frauen, die meisten dunkelhäutig, südländisch, afrikanisch, sorgenvoll, gedankenverloren. Wie privilegiert fühle ich mich, dass wir am Eingang von einer freundlichen Dame von Volkers Firma begrüßt werden, die extra unseretwegen hergekommen ist, um uns beim Anmelden zu helfen und für uns zu übersetzen. Praktischerweise hat sie schonmal eine Nummer gezogen, damit wir nicht so lange warten müssen. Wir füllen die Formulare aus. Richard langweilt sich bald. „Absteigen!“, fordert er, und versucht, aus seinem Buggy zu klettern. Ich habe einen aufblasbaren Ball in der Tasche und kurz darauf spielen Volker und Richard zwischen den wartenden Menschen Fußball. Ich schaue mich vorsichtig um, ob jemand Anstoß nimmt. Aber nein, unsere freundliche Dame sagt ganz gerührt zu mir: „Wie schön Ihr Mann mit Ihrem Sohn spielt. Das sehe ich nicht oft bei entsendeten Männern.“
Unsere Nummer wird angezeigt; wir treten an den Tresen und müssen nur im richtigen Moment nicken, alles andere erledigt unsere patente Helferin. Richard stellt sich auf den Tresen und sagt stolz seinen vollen Namen. Das hat unser Frankfurter Nachbarskind oft mit ihm geübt. Jetzt kann er es anwenden. Wir müssen uns alle daran gewöhnen, dass man seinen Namen hier „Rickard“ ausspricht.
Man kündigt uns eine 2-6-wöchige Wartezeit an, bis wir die ersehnte Personnummer erhalten. Puh. 6 Wochen ohne Telefon, Internet, Bankkonto, ärztliche Versorgung. Unsere Handys sind unabhängig voneinander beide in den letzten Tagen kaputt gegangen. Wir können uns ansatzweise vorstellen, wie man sich als Flüchtling fühlen muss.
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