Sommerhaus, später

Ein altes Bauernhaus in rotem Schwedenholz, einsam gelegen inmitten grüner Wiesen. Eine lange Tafel, an der eine fröhliche Großfamilie Platz nimmt. Reichliches Essen. Musik und Gesang.

Dieses Bild, mit dem die Reiseführer deutsche Touristen nach Schweden locken… ich glaube, das gibt es in Wirklichkeit gar nicht für Touristen. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.

Wenn man allerdings in Schweden angekommen ist, die Sprache spricht, lange Winterkälte und distanzierte menschliche Kühle miterlebt hat, sich um Anschluss bemüht und endlich Freunde gefunden hat… dann hat man vielleicht eine Chance, dieses scheue, wahre, verborgene schwedische Idyll einmal mitzuerleben.

„Wir sind den ganzen Sommer in unserem Sommerhaus“, hatte Elinor, Mutter von 4 Kindern, zu mir gesagt. „Kommt doch ein paar Tage vorbei!“

Wir stehen kurz vor dem Umzug, aber zu dieser Einladung sagen wir nicht Nein. Mein Mann nimmt ein paar Tage Urlaub und wir fahren los, nach Nordschweden.

Der Begriff „Nordschweden“ ist inhaltlich korrekt, trotzdem irreführend. Als würde Norddeutschland kurz hinter Baden-Württemberg anfangen. So ist das in Schweden: Sämtliche großen und mittelgroßen Städte liegen im südlichen Drittel des Landes. In den oberen zwei Dritteln, dem riesigen Norrland, gibt es Wälder, Seen, Elche. Und das Sommerhaus von Elinors Familie.

Nach knapp 4 Stunden Fahrt biegen wir von einer lupinengesäumten Landstraße in einen Feldweg ein. An seinem Ende steht eine Handvoll roter Holzhäuser mit weißen Fensterrahmen: Wohnhaus, Pferdestall, Hühnerstall. Fast meint man, dass gleich Michel aus Lönneberga aus der Tür flitzt und barfuß über die Wiese zum Tischlerschuppen rennt.

Der Hof stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist von einer Unberührtheit, die gleichzeitig bedrückt und befreit. Als Kind ist Elinors Schwiegermutter hier umher gerannt. Heute sind die Gebäude verlassen und zum Sommerhaus für die ganze Familie geworden. Die alten bunten Holzmöbel, handbestickten Gardinen und der kupfereiserne Herd sind weiterhin in Betrieb und versetzen die Sommerhäusler in eine andere Zeit. Eine Zeit, wie von Hand gemacht.

Es gibt keine Toilette, nur ein Plumpsklo; eines von der Sorte, bei der man tiiiief einatmet, ehe man es betritt, und heilfroh ist, dass dies ein warmer Julitag ist und kein eisiger Dezembermorgen.

Eine Dusche gibt es auch nicht. Stattdessen in der Nähe einen großen, stillen See. Dort nehmen wir an warmen Tagen ein Bad, und wieder einmal bin ich dankbar, dass es nicht Dezember ist. Oder ein anderer Monat, der nicht Juli heißt. Wir sind in Nordschweden, und auch warme Sommertage enden in dicken Socken und wollenen Strickjacken.

In der ersten Nacht schlafen wir zu viert in unserem Doppelbett. Es ist eng, aber immer noch besser, als in der klammen Kälte allein zu liegen. Die Nacht ist hell. Und still.

Am Morgen gehe ich barfuß über kühle Holzdielen und alte Flickenteppiche und weiter durchs taufeuchte Gras bis ins Haupthaus, wo schon jemand Kaffee gekocht hat. Einer nach dem anderen kommt verstrubbelt dazu und holt sich seine Schüssel Müsli mit Dickmilch ab.

Den ganzen Tag lang vergnügen sich die 6 Kinder draußen auf der Wiese, erkunden den Hof, baden im See, oder sitzen mit einem Buch in den Polstern des Küchensofas.

Die Männer beaufsichtigen die Kinder und feuern den Holzofen an, wir Frauen stehen in der Küche, backen Brot, schnippeln Salat, rollen vegetarische Köttbullar (Fleischbällchen) und waschen unermüdlich Tellerberge ab.

Zu den Mahlzeiten sitzen 12 Personen aus 3 Generationen an der langen Tafel.

In dieser Gemeinschaft, inmmitten von Küchengeschäftigkeit, Sonne und Natur, Kinderlachen und -gezeter, komme ich zur Ruhe. Kein Fernseher, kein Internet, stattdessen mein Strickzeug. Sommerabende mit Mückengesumme, Nächte auf zerlegenen Matratzen, tiefschwarze Fußsohlen, Kaffee und der Duft von frisch gebackenem Brot.

Ich bin nahezu fassungslos, dass wir so etwas Schönes miterleben durften.

G

Sommer-Versprechen

Die Sommerferien erstrecken sich über 10 endlos scheinende Wochen. Die Sonne scheint von 3 bis 22 Uhr, weiße Wolken tüpfeln den blauen Himmel, es ist warm, aber nie schwül-heiß. Manchmal sieht man imposante Regenwolken.

Sommarlov„, nennen die Schweden diese Zeit, zu deutsch: „Sommer-Versprechen“.

Die Städte sind leergefegt, bis auf die (deutschen) Touristen. Alles reist aufs Land, die Züge gen Norden sind immer voll.

Wir haben in den letzten Wochen die letzten Möbel zusammen gekauft, zuletzt Ehebett, Esstisch und passende Stühle. Nun sitzen wir schon wieder auf gepackten Kisten. Manchmal singen wir „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ und manchmal „Summertime Sadness“.

Die Kinder spielen draußen; die Kleine hat ihre ersten Zähne, isst Möhrenbrei und beginnt zu Krabbeln.

Darum gibt’s heute wenig Worte, dafür ein paar Foto-Impressionen von unserem ganz eigenen Sommer-Versprechen.