Ein Jahr

Und eines Tages wohnen wir schon ein ganzes Jahr in Schweden.

War das wirklich erst vor einem Jahr, dass wir aus dem Flugzeug ausstiegen? Mutig und kraftvoll und nichtsahnend?

Mir fällt ein Video in die Hände, das wir im September letzten Jahres von unserem Sohn gemacht haben. Damals sprach er noch in 2-Wort-Sätzen. „Schlafsack ausziehen. Papier runterfallen. Da, Mercedes.“ Heute sagt er zu mir: „Mama, wenn ich was kaputt mache, darfst du ruhig rumschreien.  Aber wenn ich alles vollkrümel, darfst du eigentlich fröhlich sein.“ (Wie konstruktiv und elegant dieses Kind meine Erziehungs-Entgleisungen  infrage stellt…)

Damals…
… und heute.

Die Kleine, damals noch im Bauch, klettert heute jauchzend und keuchend Treppenstufen hinauf. Und zieht sich überall zum Stehen hoch.

Mit Anbruch unseres 2. Jahres sind wir nicht mehr die Neuen. Der Herbst hat neue Neue nach Uppsala gebracht: Austauschstudenten, Asylsuchende, entsendete Arbeitnehmer. Überall in der Stadt wird wieder Englisch gesprochen. Hin und wieder höre ich deutschen Akzent und lächele in mich hinein.

Von allen schwedischen Jahreszeiten ist mir der Herbst die liebste. Das Licht ist golden, morgens liegt Tau auf den Wiesen, meine Kinder tragen die warmen Wollsachen, die ich über den Sommer gestrickt habe. Abends wird es wieder ganz normal dunkel. Schon sinken die Temperaturen wieder an die Frostgrenze herab, und die Bäume färben sich leuchtend rot und gelb.

Ich fühle mich mittlerweile ein wenig dazugehörig. Ich kenne die Fahrradwege, die Supermarkt-Preise, und wenn mich jemand anspricht, kann ich etwas Sinnvolles antworten. Wie die Einheimischen versuche ich, noch so viel Sonne wie möglich zu tanken, denn ich weiß, der Winter steht schon vor der Tür. Schon fliegen die Lappland-Gänse wieder in Richtung Süden.

Wir aber bleiben noch hier.

G

Einmal im Jahr durchpusten lassen

Einmal im Jahr mache ich etwas Verrücktes. Ich führe Selbstexperimente im Namen der Wissenschaft durch. Mein Schwerpunkt: Ornithologie. Dazu reise ich an handverlesene Plätze Europas, um für wenige, kostbare Augenblicke eine besondere Spezies von Zugvögeln in freier Wildbahn zu erleben: die Donnervögel. Mal in Piancavallo in Nord-Italien, mal St. Dezier im Osten Frankreichs, mal Spangdahlem im pfälzischen Teil Deutschlands, mal eine spanische Insel vor der Küste Süd-Marokkos.

Dieses Jahr bin ich Nordschweden unterwegs, in der Nähe von Luleå (Das spricht man „Lüleo“). Luleå liegt über 800 km nördlich von Uppsala und ist auf dem Atlas parallel zu Sibirien zu verorten. Gerd Ruge würde mich in jedem Fall beneiden. Menschen gibt es hier kaum, zumindest treffe ich keine. Es ist sckrecklich kalt, etwa +3 °C , mit viel Wind und immer mal wieder einem grauen Schauer; nicht sonderlich einladend. Die Landschaft zeichnet sich durch Kargheit aus. Kilometerweite Wälder von schmalen Nadelbäumen, die ganz gerade in die Höhe wachsen und auf einem durchgängigen Moosbett stehen.

Wenn man aufmerksam hinschaut, kann man hier und dort die berühmten Schwedischen Preiselbeeren finden. Ihr Rot ist der einzige Farbtupfer weit und breit. Nun wende mich meinem eigentlichen Ziel zu: dem Himmel. Also Augen nach oben gerichtet und Ohren gespitzt, erstmal ohne Gehörschutz. Geduldig, voller freudiger Erwartung, harre ich aus.

Und plötzlich, da!  Ein schnelles Hinweghuschen, halbverdeckt hinter Nadelgehölz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Fauchen – großartig!

Ich bin am Ziel meiner diesjährigen Verrück(t)ungsreise angekommen und stehe im Abgas- und Lärmstrahl eines schwedischen Donnervogels!

Mit einem Lächeln um Gesicht genieße ich die kurzen Momente übermenschlicher, markerschütternder Kraft und Geräuschkulisse, sauge sie sprichwörtlich in mich auf. Das tut gut – einmal im Jahr mal richtig gründlich durchpusten lassen!

V

 

Kindergeburtstag

Wir haben einen Dreijährigen! Und feiern Kindergeburtstag.

Unser Geburtstagskind hat 3 Kinder aus seiner Förskola eingeladen: Einen Jungen aus dem Nachbarhaus und zwei Zwillingsmädchen, die auch Deutsch sprechen. Seine ersten Freunde hier.

Ich habe Kuchen gebacken. Eine Eisenbahn war gewünscht, ich habe sie mithilfe eines „Kalten Hundes“ umgesetzt.

3 Jahre

Und weil’s für mich einfach kein richtiger Geburtstag wäre ohne Nussecken, habe ich mit der Handmühle Nüsse gemahlen und unser altes Familienrezept gebacken.

Während Vater Abraham mit den Kindern herumjuxt, haben wir Mütter Zeit für zwei, drei ruhige Tassen Kaffee am Elterntisch.

Ich habe nur einen einzigen Programmpunkt geplant: Wir basteln  Handabdrücke aus Salzteig. Das geht schnell und alle haben eine Erinnerung zum Nach-Hause-Mitnehmen.

Am Ende sind alle Kinder zu müde, um noch gut gelaunt zu sein. Das gehört dazu. Es war schön. Ein fröhliches Fest für ein tolles Kind.

G