Am letzten Wochenende war ich mit den Kindern allein in Uppsala. Vater Abraham ist nach Deutschland geflogen, um sich von einem lieben Menschen zu verabschieden.
Ich bin nicht gern Strohwitwe, aber diesmal wird es ein gutes Wochenende.
Bei uns liegt jetzt, Mitte März, richtig viel Schnee. Täglich fallen neue Flocken vom Himmel und machen ringsum alles rein und weiß. So schaufele ich mit den Kindern in unserem Gärtchen einen großen Schneehaufen zusammen. Während der Große immer wieder darauf klettert und runterruscht, höhle ich den Berg von innen aus und baue uns ein Iglu.
Später, als die Kleine schläft, backen wir Waffeln und nehmen sie mit nach draußen, zu einem Iglu-Picknick. Der Große kriecht als erster in die Höhle. Ich selbst passe danach nur noch mit dem Oberkörper hinein, meine Beine bleiben draußen. Ich liege also rücklings waffelessend im Iglu, was sehr gemütlich ist, vor allem, als der Große friert und sich zum Wärmen auf mich setzt. So schaue ich hinauf zur Schnee-Kuppel unserer Behausung und denke nach.
Es ist wohl die Vergänglichkeit, die den Zauber eines Iglus ausmacht. Und die Tatsache, dass es, obwohl selbst so kalt, gegen die Kälte schützt. Ein wenig kommt es mir vor wie unser Leben in Schweden.
Unsere zwei Jahre schmelzen dahin. Gerade erscheint es uns noch wie ein sicheres Heim, aber bald müssen wir ausziehen aus unserem schönen schwedischen Iglu, und weiterziehen. Und hoffen, dass wir woanders wieder ein Zuhause finden.
Was das mit mir macht, kann ich nur schwer in Worte fassen.
Ich bin müde. Ich finde manchmal, ich bin zu müde dafür, dass ich bloß zwei Kleinkinder habe. Andere haben drei oder vier. Ich kann nicht mal behaupten, dass ich nachts zu wenig Schlaf bekäme; unsere Kinder schlafen überwiegend durch. Ich habe einen unkomplizierten Haushalt und kaum Abend-Termine. Warum bin ich so erschöpft, frage ich mich erschöpft.
Vielleicht ist es die Unruhe über die großen Entscheidungen, die anstehen. Am liebsten würde ich einfach mein Iglu behalten. Es erscheint mir gerade so vertraut, so viel wirklicher und sicherer als ein Sommerhaus irgendwo anders.
Plötzlich fragt man uns überall: „Wie sieht es aus, bleibt Ihr noch?“ Einer hat sogar gefragt: „Bleibt ihr jetzt für immer?“
Ein anderer Deutscher sagt: Überlegt es euch gut. Im ersten Jahr muss man sich durchkämpfen, im zweiten kommt man an, aber das dritte Jahr! Das kann man genießen. „Payback-Jahr“, sagt er.
Wir haben immer gesagt, nach zwei Jahren kommen wir zurück. Aber „Zurück“, das merken wir jetzt, ist ein Wort mit vielen Dimensionen. Zurück in unseren letzten Wohnort? Oder den davor? Oder den davor? Oder zur Verwandtschaft? Oder ganz neu anfangen, in der Kleinstadt, die wir letztens so schön fanden, die mit den vielen Sonnenstunden?
Ich versuche, mich zu sortieren, schreibe Listen, denke nur noch in Stichworten.
Bei dem Versuch, in ganzen Sätzen zu denken, erschreckt mich jedes Mal das Tauwetter.
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