Kinder und Betrunkene

An einem dieser grauen Wintertage bin ich mit dem Doppel-Kinderwagen in der Innenstadt von Uppsala unterwegs. Beide Kinder sind eingeschlafen, endlich. Auch ich bin müde. Die Tage sind immer noch so wahnsinnig anstrengend.

Da höre ich die laute Stimme einer Frau. Die Menschen hier im Norden sind so ruhig und besonnen, dass eine laute Stimme sofort auffällt. Die Frau spricht ausschweifend auf einige Passanten ein, die nicht antworten, sich aber auch nicht abwenden. Höfliche Schweden! Hier darf jeder ausreden, egal mit wieviel Promille im Blut.

Betrunkene sind in Uppsala ein seltener Anblick. Spirituosen ab 3,5 Volumen-% gibt’s in Schweden nur in einem Spezialgeschäft namens Systembolaget, einem staatlichen Unternehmen. Alkoholische Getränke werden tüchtig besteuert und sind atemberaubend teuer. (Zum Glück brauchen wir keinen Alkohol zu unserem Glück!)

Während ich so sinniere, ändert die Frau ihren Kurs und steuert geradewegs auf mich zu. Ach nein, denke ich. Lass mich doch in Frieden. Ich hatte einen harten Tag und will nur, dass meine Ampel grün wird und ich meine Kinder nach hause schieben kann. Außerdem verstehe ich bestimmt sowieso nicht, was du sagen wirst.

Die Frau stellt sich vor mich, beugt sich zu den Kindern hinab und schaut in deren schlafende Gesichter. Ich starre sie an. Sie ist blond, etwa in meinem Alter und hat, das fällt mir jetzt auf, ein schelmisches, ziemlich sympathisches Gesicht. Irgendwas an ihr erinnert mich an James, den Butler aus „Dinner for One“.

Dann grinst die Frau mich an, schleudert ihren Arm zu einem ausdrucksvollen Kruzifix hin und her und brüllt fröhlich: „Gud välsigne er!“ Dreht sich um,  torkelt weiter und stolpert dabei über einen Tigerkopf. (Nein, das Letzte stimmt nicht.)

Meine Ampel wird grün. Ich gehe weiter. Meine Gedanken haben sich aufgehellt.  „Gud välsigne er“ heißt: Gott segne euch.

G

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