Sommerreifen, geschlossene Schneedecke

Vor einigen Tagen habe ich einen Dienstwagen bekommen – ein schwedisches Premiumgefährt. Ich wollte gar nicht unbedingt einen Dienstwagen haben, aber das gehört hier wohl so zu dieser Arbeitsstelle dazu. Es ist ein ziemliches Prestigeobjekt. Alles glänzt und macht einen gehobenen Eindruck. Ist bestimmt dreimal soviel wert wie mein mittlerweile etwas verbrauchter, jedoch vertrauter Audi.

sommerreifen

Mein schwedischer Dienstwagen wurde mir auf Sommerreifen übergeben, dazu ein Zettel mit einer Telefonnummer, wo ich jemanden wegen der dazugehörigen Winterreifen erreichen könne. Am Tag nach der Übergabe des Luxusgefährts hat es angefangen, unaufhörlich zu schneien. Jeden Morgen bin ich nun auf geschlossener Schneedecke unterwegs, um zur Arbeit zu kommen. Die Fahrt dauert länger, es ist schwieriger und anstrengender. Das Wort „Fahrt“ passt eigentlich gar nicht, es ist vielmehr ein mehr oder weniger kontrolliertes Rutschen; eine Prise Schleudern und Durchdrehen ist auch mit dabei. Ich komme gar nicht dazu, die vermeintlichen Vorzüge des Fahrzeugs zu genießen. Hinzu kommt, dass weder die Zeichen auf der Fahrbahn noch die Straßenschilder gut zu erkennen sind. Es ist nicht immer klar, wo es eigentlich langgeht. Manchmal verfahre ich mich.

Diese Beschreibung trifft auch auf meinen schwedischen Arbeitsalltag zu. Auch hier ist die „Fahrt“ anstrengend, aufreibend, langwierig und weit davon entfernt, wohl dosiert und kontrolliert zu sein. Auch nimmt sie für meinen Geschmack zurzeit zu viel Zeit, zu viel Platz in meinem Leben ein. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich  die passende „Bereifung“ für die vorherrschenden Straßenverhältnisse in meiner Arbeitsstelle habe. Außerdem fehlt mir die Ortskenntnis.

Seit Tagen versuche ich, jemanden unter der Nummer auf dem Winterreifen-Zettel zu erreichen – bisher ohne Erfolg. Wo und wann ich die nötigen Werkzeuge für meine Arbeitssituation finden werde, um aus dem Schleudern, Rutschen und machmal Durchdrehen rauszukommen, ist mir ebenfalls unklar.

Beides wird sich jedoch finden, auch wenn es bei den „Reifen“ für meine Arbeitsstelle vermutlich eher ein Prozess wird, nicht eine einmalige Wechsel-Aktion.

Und dann, früher oder später (beides kann ich mir vorstellen), werde ich das schwedische Auto wieder abgeben und zurück in ein etwas vertrauteres „Gefährt“ steigen. Dann werde ich wieder in gewohnten Straßenverhältnissen unterwegs sein. Allerdings: Ich werde dann, wenn ich mal wieder ins Schleudern gerate – z.B. aufgrund eines unerwarteten Wetterumschwungs – auf die Erfahrungen zurückgreifen können, die ich hier und heute mache. Und genau deswegen mache ich das, was ich gerade mache. Ich bin unterwegs in einem schwedischen Auto mit Sommerreifen auf geschlossener Schneedecke.

V.

Ein Gedanke zu „Sommerreifen, geschlossene Schneedecke“

  1. Was für ein treffender Vergleich – gefällt mir sehr gut. Für beide Rutschpartien weiterhin viel Glück und Kraft. Und mit einem hast Du auf jeden Fall Recht: Die Erfahrungen machen Dich / Euch nur reicher (fühlt sich zwar währenddessen nicht immer unbedingt super an, aber im Nachhinein hat es sich dann doch gelohnt). Ganz liebe Grüße nach Schweden! Und danke für Euren tollen Blog -ich finde es schön, so an Eurem Abenteuer ein bisschen teilhaben zu können.

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