Von Booten, Botschaft und deutscher Pünktlichkeit

Knapp eine Woche nach Linneas Geburt ist es Zeit für ein erstes Abenteuer. Richard ist bereits am Vorabend aufgeregt und sagt beim Abendessen: „Wir fahren in die grooooße Stadt Stockholm“, er zeichnet bei dem Wort „groooße“ einen Kreis mit seinen Händen in die Luft. Recht hat er: Wir wollen über Weihnachten nach Deutschland, mit dem Flugzeug, und dafür brauchen wir für Linnea ein Ausweisdokument.

Mit dem dafür nötigen offiziellen Papierkram, einem biometrischen Passfoto unserer neugeborenen Tochter und ausreichend Reiseproviant geht es morgens vor Sonnenaufgang los, nachdem Richard und ich, mittlerweile Profis, unser Auto von Schnee, Eis und Eisblumen befreit haben.

Unser Ziel: Die Deutsche Botschaft in Stockholm. Und zwar pünktlich um 9.20 Uhr, sonst wird das nichts mit dem Fliegen. Während der Fahrt brechen langsam die ersten rosafarbenen Lichtstrahlen durch den weiten, schneeschwangeren  Himmel, unsere Straße wird flankiert von endlosen weißen Nadelbäumen. Die beiden Kinder auf der Rücksitzbank machen sich prächtig. Linnea schläft, Richard singt, wir Eltern können uns synchronisieren.

Das Navi führt uns einmal komplett durch Stockholm durch. Die ganze Stadt leuchtet in weihnachtlichem Festgewand. Nur der Berufsverkehr stört etwas, denn: Wir müssen ja pünktlich sein. Wo, wenn nicht bei der Deutschen Botschaft!

Copyright: Henrik Trygg

Stockholm liegt auf 14 Inseln und besteht zu 30% aus Wasser. Links und rechts sehen wir Häfen und Boote, Richard ist begeistert. Als aktueller Fan von Doppeldeckerbussen faszinieren ihn besonders die zweistöckigen Boote, Doppeldeckerboote eben. Aber unser Ziel ist ja die Botschaft, nicht die Boote.

Stau. Und nur noch 20 Minuten bis zu unserem Termin. Gesina betet lautlos. Kurz darauf fangen die Glocken an zu läuten. Irgendwie werde ich von einem tiefen Vertrauen durchdrungen, dass wir es schaffen werden und kann den ein oder anderen Blick nach links und rechts in die weihnachtlich-funkelnden Gassen genießen, während der Verkehr im Schritttempo vorangeht.

Bald darauf biegen wir ins neu erbaute, steril-kühle Botschaftsviertel ein. Beschilderung ist Fehlanzeige, alles eher inkognito. Wir passieren die Hausnummer, an der die Deutsche Botschaft sein soll. Auf dem Dach des weißgrauen Kastens weht eine weiße Flagge mit einem großen roten Punkt in der Mitte.  Sollte sich Deutschland in den letzten drei Monaten so sehr verändert haben?

Dann, zur linken Hand, ein kleiner Parkplatz. Ein kleines Schild sagt in kleiner Schriftgröße „Nur für Gäste der Deutschen Botschaft“. Klasse, das sind wir; zumindest unser Auto hat seinen Platz gefunden.

Jetzt zu Fuß, zwei Kinder auf dem Arm, geht es weiter auf der Suche nach der Botschaft. Endlich finden wir sie. In einer Sicherheitsschleuse müssen wir alle Habseligkeiten bis auf Kinder und Dokumente in ein zu kleines Schließfach quetschen. Alles ist vergittert, die schweren Türen bewegen sich nur langsam, das Personal versteckt sich hinter Panzerglas und kommuniziert nur über Gegensprechanlage. Eine Woche nach der Geburt befinden wir uns schon wieder in einer Art Isolierstation. Durch einen Metalldetektor hindurch, auf zum nächsten Gebäudetrakt. Ein Blick auf die Uhr: Es ist Punkt 9.20 Uhr. Wir sind da! Alle Papiere stimmen, die Fotos sind biometrisch genug, Unterschrift hier, Stempel da, Bezahlen dort – und fertig. Geschafft!

Ich bin froh und dankbar über dieses Erfolgserlebnis mit meiner kleinen Familie, mache meiner Frau und meinen beiden Kindern im Geiste ein Riesenkompliment und freue mich auf einen schönen Mittag in einem netten Café oder Restaurant im weinachtlichen Stockholm.

Blick in unseren Garten

Heiligabend fliegen wir nach Hause, nach Deutschland. Gut, dass wir schon heute Gelegenheit hatten, die deutsche Pünktlichkeit wieder einzuüben 😉

V.

 

3 Gedanken zu „Von Booten, Botschaft und deutscher Pünktlichkeit“

  1. Habe als Späteinsteiger alles im Blog gelesen und mein Herz ist berührt. Die Zeit mit kleinen Kindern ist eine so wertvolle und einmalige Zeit, auch wenn es manchmal sauanstrengend sein kann. Ihr macht es richtig: die schönen Momente genießen!
    Collie

  2. Hallo liebe junge erweiterte Familie,

    in den letzten Tagen dachte ich öfters an Euch und die bevorstehende Geburt. Heute spach ich auch mit Wolf, darüber, dass Euer Baby bald geboren werde müsste. Ich dachte, ich würde schon eine Mail bekommen.
    Doch vorhin kam mir der Gedanke, in Euren Blog zu schauen. Und ———wws sehe ich da? Welche Freude, Eure Linnea ist gesund geboren. Herzlichen Glückwunsch!!!! Ich freue mich riesig mit Euch und wünsche Euch Gottes Segen, ganz viel Freude und wunderschöne Zeiten miteinander, viel Raum und Muße zum gegenseitigen Kennenlernen.
    Ich bin ich Gedanken bei Euch in Eurem so gemütlichen Zuhause in Schweden. (so kommt es durch Eure schönen Beschreibungen rüber!!)
    Ganz herzliche Grüße und eine schöne Weihnachtszeit in Deutschland.
    Eure Friedegard und Wolf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert