Der Handschuh

An einem der letzten Schneetage habe meinen Handschuh verloren. Der Rechte von ausgerechnet dem Paar Handschuhe, das ich am liebsten mag, aus brauner Wolle, an den Handflächen schon mehrfach ausgebessert, damit sie noch lange halten.

Solch einen Handschuh gebe ich nicht widerstandslos auf. Mit den Kindern fahre ich die Strecke ab und suche. Weil ich mir nicht mehr sicher bin, wo ich ihn verloren habe, ist das Gebiet ziemlich groß. Ich frage in der  Krabbelgruppe, im Einkaufszentrum und im IKEA-Restaurant. Der Handschuh bleibt verschwunden. Ich versuche mich damit zu trösten, dass der Frühling nur noch ein paar Tage entfernt sein kann.

Dann spaziere ich zwei Wochen später über einen Grünstreifen zwischen zwei Fahrbahnen und sehe etwas Braunes liegen, nein, keine Erde, kein Blätterhaufen: Mein Handschuh. Im Schnee habe ich ihn verloren, jetzt liegt er im grünen Gras. Er hat einen Jahreszeitenwechsel lang darauf gewartet, dass ich ihn wiederfinde.

Vor Freude rufe ich laut: „Jetzt feiern wir ein Fest!“

Mein Sohn ist begeistert. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit erinnert er mich ernsthaft: „Mama, du hast den Handschuh gefunden, wir müssen ein Fest feiern!“

Am Freitag ist es soweit. Der Große hat kindergartenfrei, wir backen einen Kuchen und kaufen Luftballons ein. Auf dem Heimweg kurbele ich zum ersten Mal seit einem halben Jahr die Autofensterscheiben runter und ein warmer Wind bläst herein.

Zusammen stimmen wir ein Freudengeschrei an:

„Der Frühling ist da, juhuu!“
„Wir feiern ein Fest, juhuu!“
„Wir brauchen keine Schneeanzüge mehr, juhuu!“
„Wir können wieder barfuß laufen, juhuu!“

Dazu kommt aus dem Maxi Cosi jedes Mal ein kleines Echo: „Huhuu!“

Auf geht’s zum Spielplatz. Decke ausgebreitet, in die kahlen Bäume eine Wimpelkette gehängt, Tee in der Thermoskanne und Kuchen dazu. Juhuu!

 

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