Geburt mit Astronauten

Rückschau: 6. Dezember. Nichts bringt einen so schnell von 100 auf 0 wie eine Magengrippe. Erst recht, wenn man gleichzeitig hochschwanger ist. Es ist nicht schön, mit riesigem Bauch zum Bad zu rennen. Oder schlapp im Bett zu liegen, während ein ausgewachsenes Baby gegen den schmerzenden Magen tritt. Ich dämmere dahin und hoffe nur, dass ich keine Wehen bekomme. Um nichts in der Welt fühle ich mich heute gewappnet für die meiner Erfahrung nach anstrengendste Aufgabe des Lebens.

Es ist ein Segen, dass meine Mutter bei uns ist, uns den Haushalt schmeißt und mich mit Tee versorgt. Nebenbei backt sie hingebungsvoll mit unserem 2-Jährigen Plätzchen. Ich höre von meinem Krankenlager aus ihre Unterhaltung: „Wo passt denn noch ein Mond hin?“ – „Da!“ – „Genau!“ Dann singt eine Kinderstimme: „Der Mond ist aufdedangen…“

Ich gebe die Begriffe „Entbindungstermin“ und „Magengrippe“ in eine Suchmaschine ein und finde unzählige beruhigende Foren-Einträge: „Wenn die Mutter richtig krank ist, wartet das Baby.“ Und: „Dein Körper weiß, wann Du genug Kraft hast.“

Aber gegen 17 Uhr – ich habe den Tag längst abgeschrieben – fängt die Geburt an. Volker lässt bei meinem Anruf den Stift fallen und kommt sofort von der Arbeit nach hause. Ich trinke schluckweise Cola gegen die Unterzuckerung. Wir beten zusammen. Und dann geht’s ab ins Krankenhaus.

Dort bin ich als Magengrippe-Patientin angemeldet und komme nicht in einen normalen Kreißsaal, sondern auf die Isolier-Station. Die Hebamme und Krankenschwester, die zu uns kommen, sind bis zur Unkenntlichkeit mit Schutzanzügen, Schutzbrillen und Atemschutzmasken bekleidet und sehen aus wie Astronauten.

Aber sie sind sehr, sehr nett. Sie trauen mir zu, dass ich auch krank und mit halber Kraft mein Kind zur Welt bringen kann. Und sie versprechen mir immer wieder, dass sie mir dabei helfen.

Endlich, endlich, in den frühen Morgenstunden des 7. Dezember, ist es geschafft: Wir halten eine gesunde Tochter in den Händen. Was für ein Wunder!

Wir schlafen ein paar wenige Stunden bis zum Morgen, fahren dann nach Hause. So beginnt unser neues Leben mit Linnea. Hier ein erster Schnappschuss, mit herzlichen Grüßen aus Uppsala:

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Wartesaal

Heute waren Volker und ich beide bei der Geburtsklinik – unabhängig voneinander. Volker ist morgens früh vor der Arbeit den Weg  abgefahren, für alle Fälle. Und ich habe mit unserem Großen den Nachmittag in der angrenzenden Kinderklinik verbracht.

Fazit: Wir finden da jetzt mit verbundenen Augen hin, wenn Kind Nr. 2 kommt.

Nr. 1 ist zum Glück wieder auf dem Weg der Besserung. Wohl nur ein Magen-Darm-Infekt. Wir sind erleichtert, es ging ihm wirklich schlecht und wir waren voll Sorge. Jetzt schläft er friedlich.

Morgen ist Nikolaustag und Geburtstermin. Nikolaustag findet hier in Schweden nicht statt. Geburtstermin – werden wir sehen. Mein Strickprojekt ist jedenfalls gerade noch pünktlich fertig geworden.

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Wir sind bereit.

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Die Oma ist da

Das Wettrennen hat eine Siegerin: Gestern ist die Oma bei uns eingetroffen! Ich bin so erleichtert. Meine größte Sorge war nicht die nahende Geburt, sondern dass der große Bruder nicht versorgt sein könnte. Nun ist er in besten Händen.

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Wir feiern den 1. Advent. Draußen heult ein heftiger Schneesturm, die Fensterscheiben klirren, Volker kommt durchgefroren vom Joggen nach hause. Richard ist erkältet und fiebert.

Ich drapiere Nürnberger Lebkuchen und schwedische Pfefferkuchen auf einem Teller, wir trinken Tee und setzen uns  um den Adventskranz. Den hat meine Mutter gestern Abend für uns gebunden, aus Kieferngrün, das ich beim Spazierengehen in den nahen Wäldern abgeschnitten habe.

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Der 1. Advent ist einer der höchsten Feiertage in Schweden, ein Tag voller Musik. Die Kirche ist bis zum letzten Platz besetzt und angefüllt mit Klang: Die vielstimmige Gemeinde, ein Bläser-Ensemble, die Orgel mit allen Registern, und über alledem jubelt ein großer, herrlicher Kirchenchor „Hosianna!“ So in etwa stelle ich mir die Musik im Himmel vor.

Ich bin dankbar, die Weihnachtszeit in Schweden erleben zu dürfen. In der langen, kalten, bedrückenden Dunkelheit leuchten in allen Fenstern Kerzen.

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Wir wünscht Euch allen einen gesegneten 1. Advent!

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… und?

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Noch 2 Wochen, alles ist ruhig. Das Baby ist nun so groß, dass es kaum noch Platz für Bewegungen hat. Es schläft fast die ganze Zeit und lässt auch mich wieder besser schlafen.

Ein ganzes Kilo nimmt das Kind in den letzten 4 Wochen zu. Ich finde das erstaunlich. Nicht, dass es mir selbst nicht leicht fallen würde, innerhalb eines Monats ein Kilo zuzunehmen – locker! Zumal wenn die Adventszeit vor der Tür steht. Aber hochgerechnet auf das Ausgangsgewicht des Kindes müsste ich, um vergleichbar zuzunehmen, über 20 kg zulegen. Wahnsinn.

Alle zwei Wochen gehe ich zur Hebamme. Die ist mit mir zufrieden. Also bin ich es auch.

Ich amüsiere mich über die Unterschiede in der Schwangeren-Vorsorge zwischen Deutschland und Schweden. Zunächst einmal: Hier geht man nicht zum Frauenarzt, sondern zur Hebamme. Und zwar in deutlich selteneren Abständen als in Deutschland, v.a. wenn es nicht das erste Kind ist.

Statt viel Diagnostik überwiegt hier das Gespräch, die Beratung. Jeder Besuch bei ihr endet mit den Worten: „Hast du noch Fragen? Wir haben Zeit.“

In Deutschland wurde ich gegen Ende meiner ersten Schwangerschaft immer hochfrequenter einbestellt, immer genauer und ausführlicher auf Anzeichen einer beginnenden Geburt untersucht. Gewichtszunahme, Blutdruck, Hämoglobin? Muttermund? PH-Wert okay? Fruchtwassermenge? Wie viele Wehen pro halber Stunde?

Hier in Schweden nimmt meine Hebamme ein hölzernes Hörrohr zur Hand und hört den Herzschlag des Kindes ab.
„Es lebt“.
Dann nimmt sie ein Maßband und vermisst meinen Bauch.
„Es wächst.“
Mein Blutdruck?
„Bestens.“

Fertig.

Keinerlei Untersuchung auf Anzeichen einer Frühgeburt. Stattdessen fragt mich die Hebamme:
„Und? Glaubst du, es kommt früher?“

Was soll ich da sagen? Keine Ahnung. Aber wenn ich mal alle Diagnostik außen vor lasse und mein Gefühl befrage, sage ich: Ich glaube, es kommt pünktlich. Genau wie sein Bruder. … und? weiterlesen

Beifahrer an Bord

Wie so häufig in diesen Tagen verlasse ich mein Büro mit einem schwarzen Köfferchen in der Hand. Es ist nichts Aufregendes drin, lediglich mein Firmenlaptop. Auch diesmal ist mein Plan, zu Hause etwas schöne Familienzeit mit Richard und Gesina zu verbringen, zu Abend zu essen, und dann, wenn alle anderen schlafen, noch eine zweite Schicht Arbeit von zu Hause aus zu absolvieren, bevor ich selbst ins Bett falle.  Ich steige ins Auto, lege das Köfferchen auf den Beifahrersitz und fahre los.

Mein schwedisches Premiumauto hat ein typisch schwedisches, eher zurückgenommenes Temperament (und übrigens mittlerweile Winterreifen). Ganz unaufdringlich fängt es nach wenigen hundert Metern an zu piepen. Ein angenehmes Piepen, man kann es fast als Entspannungsmusik einordnen. Auf der digitale Anzeige unter dem Lenkrad leuchtet in einem ansprechend satten Rot ein Lämpchen auf. Ich verbleibe in meinem Zwischenfeierabend-Trance und fahre weiter. Langsam wird das Piepen lauter und aufdringlicher. Mein Dienstauto zeigt plötzlich Temperament, eine gewisse Sturheit stellt sich ein. Was hat es nur? Es muss irgendwie mit dem Koffer zu tun haben, denke ich. Vielleicht will es mir eine tiefere Botschaft senden, so etwas wie „Es ist nicht gut für dich, deine Arbeit mit nach Hause zu nehmen.“ Ich überlege kurz, ob ich umkehren und den Laptop zurück ins Büro bringen soll. Das würde dem Auto bestimmt gefallen. Ich entscheide mich anders und schnalle das Köfferchen auf dem Beifahrersitz an. Das Piepen hört auf. Das rote Lämpchen geht aus. Na also, geht doch!

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Optimismus

Das ist Optimismus:

  1. Einen Termin bei der deutschen Botschaft in Stockholm für unsere Tochter zu buchen, um ihren Reisepass zu beantragen – ohne zu wissen, ob sie zu dem Termin a) schon geboren ist, b) wirklich eine Tochter ist und c) tatsächlich so heißen wird, wie ich das im Formular angegeben habe.
    Komisches Gefühl, als ich eine E-Mail für sie bekomme: „Sehr geehrte (…) Abraham, bitte finden Sie sich um 9:20 Uhr in der Botschaft ein.“
  2. Drei Wochen vor Geburtstermin noch ein kompliziertes Strickprojekt zu beginnen – einen Strampelanzug nach einem Strickmuster aus den 60er Jahren, gefunden in einem Strickbuch auf Norwegisch.
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  3. Weihnachten bei Oma und Opa in Deutschland zu planen, ohne zu wissen, ob wir bis zum 24.12. wirklich Kind, Pass und Flug haben werden.

Zwei Dinge lernen und üben wir mehr als alles andere durch unser Auslands-Abenteuer:

  1. Vorausschauendes Planen
  2. Tiefenentspannung, wenn alles anders kommt.

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Der Schnee ist mittlerweile wieder weggetaut, aber mit diesen Fotos vom letzten Samstag grüßen wir Euch zum Wochenende!

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Übungswehen

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Der Countdown läuft. Noch 3 Wochen bis zum Geburtstermin. Das ist ein Grund zur Freude: Wenn das Kind jetzt geboren würde, gälte es nicht mehr als Frühgeburt.

Ich habe diesen Termin zum Anlass genommen, meinen „Klinikkoffer“ zu packen. Bequeme Klamotten, Kulturbeutel und zwei Garnituren winziger Babysachen warten nun auf ihren Einsatz.

Auch die Babysitter für den großen Bruder sind organisiert. Am ersten Advent kommt Richards Oma und wird für 2 Wochen bei uns wohnen. Wir haben dem Baby mitgeteilt, dass wir es schön fänden, wenn es genau in diesem Zeitfenster käme.

Aber natürlich haben wir auch einen Plan B. (Und C und D.) Sandra und Felix, unsere Freunde aus der Kirchengemeinde, haben angeboten, Richard nachts zu nehmen, falls das Baby früher kommen sollte. Für tagsüber hat sich eine nette Frau aus der Krabbelgruppe zur Verfügung gestellt. Sie hat selbst 4 kleine Kinder, würde aber auch noch auf ein fünftes aufpassen. Wir sind dankbar, dass wir innerhalb von 8 Wochen gleich zwei Familien kennen gelernt haben, die uns so bereitwillig unterstützen wollen. Und falls wider Erwarten alle Babysitter ausfallen, könnte Volker natürlich auch selbst mit unserem Großen zuhause bleiben.

Ich merke, wie bei mir die Aufregung steigt. Mein Bauch ist riesig geworden. Wenn ich in die Hocke gehe, muss ich mich irgendwo festhalten, um wieder hoch zu kommen. Alles, was ich tue, geschieht  in Zeitlupe. (Sogar das Denken.) Das Baby ist jetzt ca. 47 cm groß und geschätzt knapp 3 kg schwer. Wenn es strampelt, kann ich seine Hände, Knie und Füße so deutlich spüren, als wäre es schon bei uns.

Heute habe ich auch die ersten Senkwehen gespürt. Die sind neu für mich: Bei Richard hatte ich die erste erkennbare Wehe an dem Tag, an dem er letztlich geboren wurde. Beim zweiten Kind spüre ich viel deutlicher und viel früher die (völlig normalen) Senkwehen. Sie sollen das Baby langsam in Startposition bringen, ohne dass sie zur Geburt führen. Ich muss mich mit aller Willenskraft daran erinnern, dass ich höchstwahrscheinlich noch 3-5 Wochen Zeit habe, bis es losgeht. Ich bin einfach schon so gespannt!

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Um mich abzulenken, haben Richard und ich gegen 15 Uhr, kurz vor Einbruch der Dunkelheit 🙂 noch einen Schneemann gebaut.

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