Johannisbeerzeit

Ein Abschiedsgruß an den Sommer…

Kurz vorm Umzug habe ich noch die Johannisbeersträucher in unserem Garten abgeerntet. Hier in Schweden werden die Johannisbeeren ja erst Ende Juli reif.

Als wir einzogen, waren die Büsche struppig und verwildert. Nach ein bisschen Recherche habe ich sie mutig (besser gesagt: radikal) beschnitten. Die Ernte war daraufhin wirklich erstaunlich gut.

Kiloweise roter und schwarzer Beeren habe ich gepflückt und zu Marmelade verkocht. Und natürlich Johannisbeerkuchen gebacken, mit einem süßen Sauerteig-Boden (nach diesem Rezept vom Plötz-Blog).

Man beachte die kleine Hand im Hintergrund, die sich während des Foto-Shootings heimlich einen Streusel schnappt.

11 Gläser Johannisbeermarmelade sollten für den Winter reichen.

G

Förskola

„Warum geht er denn noch nicht zur Förskola?“

Die schwedische Sprache kommt ohne viel Modulation aus. Missbilligung muss man sorgsam zwischen den Zeilen lesen. Widerspruch kommt freundlich als „Ja, aber…“ daher. Das Wort „Nej“ (Nein) lernt man zwar als Tourist, aber man braucht es im Alltag kaum. Es ist viel zu negativ.
Manchmal bin ich unsicher, ob ich in meiner Wortwahl nicht versehentlich unhöflich bin. Ich mache mehr Pausen als früher, um meinem Gegenüber Gelegenheit für ein „Ja, aber“ zu geben. Ich lausche den Sätzen anderer nach, ob darin nicht doch Kritik mitschwingt. So wie jetzt gerade.

Also, warum geht unser Kind noch nicht in eine Kinderbetreuung?

Fakt ist: Vor einem halben Jahr, im Februar, haben wir es versucht (siehe hier). Wir hatten allerdings Pech. Nach 2 Tagen unter frostigen Erzieherinnen und todunglücklichen Kindern entschieden wir: Hierhin schicken wir unser Kind nicht.

Im Nachhinein merke ich, dass ich danach unterbewusst alle Förskolas unter Generalverdacht gestellt habe.

An dieser Stelle ein kurzer Exkurs zum Thema Förskola, gesprochen Förschkola. Auch wenn das Wort „Schule“ mitklingt: Es handelt sich um eine Betreuung von Kindern von 0 bis 5, aufgeteilt in 3 Altersgruppen. Die Kleinsten werden gewickelt, gefüttert und bespaßt, die Größeren gefördert und auf den Spielplatz zum Austoben geschickt. Lustig finde ich, dass im ultramodernen und gender-neutralen Schweden die Kinder ihre Erzieherinnen ausgerechnet „Fröken“ nennen – „Fräulein“. Diese Fräuleins sind zu 50% Vorschulpädagogen und einfache Kinderpflegerinnen.
Förskola-Plätze sind knapp. Die Vergabe erfolgt über eine komplizierte digitale Plattform, man hat wenig Mitspracherecht bei der Auswahl der Einrichtung. Man nimmt, was man kriegt, sonst steht man ohne Platz da. – Exkurs Ende.

Irgendwann fragt mich also mein Mann: „Warum schiebst du es eigentlich so vor dir her, für Richard einen neuen Förskola-Platz zu finden?“

Ertappt.

Widerstrebend stelle ich mich dem Thema und versuche, diesmal alles richtig zu machen. Surfe über die digitale Förskola-Plattform, radle durch Uppsala, besuche Einrichtungen, und hebe dabei tatsächlich einen Goldschatz: eine freie Förskola in einer alten, bunten Stadtvilla, mit Holzfußböden, hohen Fenstern, nur 15 Kindern. Ich bewerbe uns und hurra, ergattere einen Platz. Mit 6 Monaten Wartezeit, aber egal.

Ja, und als die Wartezeit fast abgelaufen ist, kommt uns der Umzug dazwischen und wir ziehen ans andere Ende der Stadt. Die digitale Plattform bietet uns umgehend einen Förskola-Platz am neuen Wohnort an. Ich fahre hin. Keine Altstadtvilla, sondern ein flacher Plattenbau. Ich suche nach Indizien, dass es hier anders zugegt als bei der schrecklichen Förskola im Februar. Ich würde mir gern die Kinder anschauen. Aber es sind keine da. Sommerpause. Alles wirkt verwaist, kahl und zweckmäßig.

Mein Mann und ich ringen um eine Entscheidung. Es steht Villa Kunterbunt gegen Katze im Sack. Eine Stunde Fahrzeit am Tag gegen einen kurzen Spaziergang. Neue Freunde weit weg oder bestenfalls Freunde in Nachbars Garten.

Ich würde gern in die Zukunft sehen und wissen, welche Förskola für unseren Sohn die bessere ist. Aber es geht ja nicht. Wir sind einfach nur ratlos.

Solche Entscheidungen besprechen wir immer mit Gott. Irgendwann in der Nacht steht fest: Wir wagen die Katze im Sack. Ich sagte der Villa Kunterbunt ab. Und fange an, für die neue Förskola zu beten.

G

Umzug oder: Dies ist noch nicht das Ende

Wir sind drin. Das war nicht einfach.

Ich hatte schon wieder vergessen, wie anstrengend so ein Umzug ist. Zum Glück hatten wir alle Umzugskisten und alles Packpapier im Keller aufbewahrt. Also dann, noch einmal: Aufräumen, sortieren, Teppiche und Gardinen waschen und einpacken, Bilder von den Wänden nehmen, in Papier einschlagen… und dann alles, jedes einzelne Stück, das wir besitzen, thematisch sortiert in Kisten packen. Beschriften. Kindersicher stapeln.

Nebenbei Kinder füttern, wickeln, essen kochen, einkaufen, saubermachen, Bücher vorlesen, Spielzeugautos reparieren, gute Laune behalten.
Ist nicht zu schaffen. Ist mir jedenfalls nicht gelungen.

Dann, am Montagmorgen, hieven 5 Umzugsmänner unsere Kisten und die schönen neuen Second-Hand-Möbel in einen LKW. Ganz schwedisch heißt es danach „Wir machen erstmal Mittagspause“, und weg ist der LKW mit unserem gesamten Besitz. Vater Abraham und die Kinder fahren los und besorgen was zu essen. Ich räume die letzten Sachen in der alten Wohnung zusammen, buddele zum Schluss trotzig meine Blumen aus dem Garten aus, um sie später im neuen Garten wieder einzusetzen.

Dann fahre ich hinterher. Keine Kinder hinten im Auto; ich drehe das Radio auf. Jemand singt: „This is not the end. Trees are falling – not you.“ Ich bin müde und hungrig, unser Zuhause ist in seine Einzelteile zerlegt, aber jetzt werde ich einen Moment lang eigentümlich froh. This is not the end. Dies ist noch nicht das Ende unseres Schweden-Aufenthalts.  Der nächste Umzug wird kommen, irgendwann nächstes Jahr, und wird dann zurück nach Deutschland gehen. Aber bis dahin bekommt die Geschichte ein paar weitere Kapitel. Und es werden noch ein paar Blog-Einträge hinzu kommen.

G

 

 

Wandertag

Eine mehrstündige Wanderung mit 2 Kleinkindern zu machen, wäre uns selbst nicht eingefallen. Aber als Elinor und ihr Mann Pontus vorschlagen, gemeinsam den in der Nähe des Sommerhauses gelegenen Berg Järvsö Klack zu besteigen, lassen wir uns überzeugen. Wenn die beiden ihren vier Kindern zutrauen, knapp 400 Höhenmeter auf 3 km zu überwinden, schaffen unsere das auch. Denken wir.

Copyright: Cattis Olsson

Der Järvsö Klack erhebt sich 390 m im schwedischen Hälsingland. Die Wanderwege erinnern mich anfangs an die meiner Kindheit, später wird es steiler und steiler. Wir steigen über das Wurzelgefleicht von über 300 Jahre alten Bäumen hinweg. Am Wegrand wachsen Blaubeersträucher. Der Wald ist still und verwunschen. Totholz und große Steine bilden Figuren. Kein Wunder, denke ich, dass es in den schwedischen Märchen so viele Trolle, Zwerge und Wichtel gibt.

Nach der halben Strecke tragen vier Erwachsene vier Kinder. Nur die zwei ältesten, 5 und 7 Jahre alt, schaffen die Strecke allein.

Wir schnaufen und schwitzen. Aber als wir oben sind, wiegt der Ausblick alle Mühen auf. Mein persönliches Highlight ist allerdings viel kleiner. Mitten im Wald, in einem Moosbett, habe ich ein winziges, rosa-weißes Blümchen entdeckt, das ich schon lange zu finden gehofft habe. Elinor bestätigt mir meinen Fund: Es ist das Moosglöckchen. Linnaea borealis.

Benannt wurde die Linnaea 1737 nach dem schwedischen Botaniker und Systematiker Carl von Linné, der in Uppsala gewirkt hat. Er benannte sie nach sich selbst: Sie war seine Lieblingsblume.

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