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Ich und meine Nähmaschine

Die letzten Wochen habe ich so einige Abende hochzufrieden an meiner Nähmaschine verbracht. Das Ding ist neu, der Faden reißt fast nie, die Nähte werden viel ordentlicher als vorher und ich werde übermütig: Ich traue mich an ganz neue Schnittmuster.

Als ich eines Tages bemerke, dass zufällig meine gesamte Familie in Selbstgenähtes gekleidet ist, schnappe ich mir die Kamera. Ein Gruppenfoto, bitte!

Der Große hat ein T-Shirt bekommen und sich den Stoff selbst ausgesucht. Der großgemusterte Fahrzeug-Jersey stammt noch aus Deutschland, passt aber total gut zur bunten schwedischen Kindermode.

Das Schnittmuster ist von Schnabelina.

Für die Kleine habe ich ein Kittelkleidchen aus Baumwolle genäht. Praktischer Weise kann man es wenden, wenn es allzu schmutzig ist und keine Waschmaschine in Sicht. Der Stoff ist schön unempfindlich und ich muss gleich noch eins nähen, glaube ich.

Und dann habe ich zum ersten Mal ein richtig großes Stoffstück angeschnitten und ein T-Shirt für meinen Mann genäht. Eigentlich war es erstmal nur ein Test, und wir sind uns einig, dass der braune Elefantenstoff, nun ja, Geschmackssache ist. Dass er das Teil trotzdem anzieht, freut mich natürlich ungemein.

Wenn auch nur zum Fußballspielen.

G

Das ist wie Fahrradfahren

Ich hab den Satz schon öfters gesagt, in unterschiedlichen Kontexten: „Das ist wie beim Fahrradfahren, das verlernt man nicht.“

Nun haben wir hier einen Dreijährigen zuhause und ich muss mich fragen: Wie lernt man denn eigentlich Fahrradfahren? Genauer gesagt, wie bringt man es jemandem bei?

Ich habe eine gewisse Vorliebe für didaktische Aufgaben und beschließe, mit der Theorie anzufangen: Verkehrsregeln. Damit ich nicht hinter einem wegrasenden Kleinkind herbrüllen muss: „Rechts halten!“ (Solche Geschichten erzählt man sich über mich als Radfahranfängerin. Ich persönlich erinnere mich daran nicht, dafür aber sehr genau an das Brennesselgebüsch am Straßenrand.)

Ich komme auf 4 Verkehrsregeln, die ich wichtig finde. Sobald der Große morgens auf sein Laufrädchen aufsteigt, um mit mir zum Kindergarten zu rollern, gehen wir diese durch, und er zählt auf:

  1. Rechts fahren.
  2. An der Straße anhalten.
  3. Nur soweit fahren, dass wir einander noch sehen können.
  4. Keine Unfälle bauen. (Klingt selbsterklärend, ist aber relevant für einen Dreijährigen, der gern aus Spaß irgendwo gegenfährt.)

Als der Große souverän und regelkonform Laufrad fährt, kaufen wir ihm ein Kinderfahrrad. Blau-weiß, 14 Zoll, mit orangefarbenen Pedalen. Aufregend.

Dann geht es an die Praxis. Ich habe mir das genau überlegt: Als erstes üben wir das Bremsen. Danach das Losfahren.

Der Rest ist Geschichte.

Ich habe gelesen, dass auch Albert Einstein sich zum Fahrradfahren geäußert hat. Angesichts unseres im Herbst anstehenden Umzugs von Schweden nach Deutschland hoffe ich, dass darin ein Kern Wahrheit stecken möge:

Das Leben ist wie Fahrrad fahren.
Um die Balance zu halten
musst du in Bewegung bleiben.

(Albert Einstein)

G

Der Handschuh

An einem der letzten Schneetage habe meinen Handschuh verloren. Der Rechte von ausgerechnet dem Paar Handschuhe, das ich am liebsten mag, aus brauner Wolle, an den Handflächen schon mehrfach ausgebessert, damit sie noch lange halten.

Solch einen Handschuh gebe ich nicht widerstandslos auf. Mit den Kindern fahre ich die Strecke ab und suche. Weil ich mir nicht mehr sicher bin, wo ich ihn verloren habe, ist das Gebiet ziemlich groß. Ich frage in der  Krabbelgruppe, im Einkaufszentrum und im IKEA-Restaurant. Der Handschuh bleibt verschwunden. Ich versuche mich damit zu trösten, dass der Frühling nur noch ein paar Tage entfernt sein kann.

Dann spaziere ich zwei Wochen später über einen Grünstreifen zwischen zwei Fahrbahnen und sehe etwas Braunes liegen, nein, keine Erde, kein Blätterhaufen: Mein Handschuh. Im Schnee habe ich ihn verloren, jetzt liegt er im grünen Gras. Er hat einen Jahreszeitenwechsel lang darauf gewartet, dass ich ihn wiederfinde.

Vor Freude rufe ich laut: „Jetzt feiern wir ein Fest!“

Mein Sohn ist begeistert. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit erinnert er mich ernsthaft: „Mama, du hast den Handschuh gefunden, wir müssen ein Fest feiern!“

Am Freitag ist es soweit. Der Große hat kindergartenfrei, wir backen einen Kuchen und kaufen Luftballons ein. Auf dem Heimweg kurbele ich zum ersten Mal seit einem halben Jahr die Autofensterscheiben runter und ein warmer Wind bläst herein.

Zusammen stimmen wir ein Freudengeschrei an:

„Der Frühling ist da, juhuu!“
„Wir feiern ein Fest, juhuu!“
„Wir brauchen keine Schneeanzüge mehr, juhuu!“
„Wir können wieder barfuß laufen, juhuu!“

Dazu kommt aus dem Maxi Cosi jedes Mal ein kleines Echo: „Huhuu!“

Auf geht’s zum Spielplatz. Decke ausgebreitet, in die kahlen Bäume eine Wimpelkette gehängt, Tee in der Thermoskanne und Kuchen dazu. Juhuu!

 

G

Die Meisen oder: Die Entscheidung

Vor unserem Küchenfenster steht ein Baum. Seitdem wir Meisenknödel dort hinein gehängt haben, haben wir jeden Tag Vogelbesuch. Die Kinder und ich können uns kaum sattsehen daran. „Meise!“, ruft dann der Große, und die Kleine fügt hinzu: „Wuff!“ (Alle Tiere machen aus ihrer Sicht „Wuff“.)

Bei dieser Geräuschkulisse renne ich los  und hole die Kamera.

Meine zweihundert Meisen-Fotos erzählen mir, dass der Winter langsam weicht. Der Schnee schmilzt. Der Himmel ist nicht mehr schneeverhangen, sondern strahlend blau. 

Und wir haben unsere erste Entscheidung getroffen.

In Schweden bleiben oder zurück nach Deutschland? Was haben wir diskutiert und überlegt!

Irgendwann sagte ein kluger Mensch zu uns am Telefon: „Ihr glaubt doch, dass Gott euch nach Schweden berufen habt. Rechnet ihr eigentlich gar nicht damit, dass er euch auch wieder zurück ruft?“

Ja, warum hatten wir daran nicht selbst gedacht? – Wir fingen an, ganz ernsthaft um Gottes Weisung zu beten. Und Gott sprach in einer Deutlichkeit, die uns keine Zweifel ließ.

„Ja, ich, der Herr, hole sie heim aus den Ländern des Nordens.“

(Jeremia 31,8)

Der Satz ist über 2500 Jahre alt und richtete sich eigentlich an das Volk Israel. Aber wir wissen trotzdem, dass er in diesen Tagen uns gilt.

Denn kurz nachdem wir ihn gefunden und als Gottes Antwort empfunden hatten, sprach uns noch einmal jemand genau diesen Bibelvers zu. Und da wussten wir es.

Es war ein verlockender Gedanke, uns dem nächsten Umzug und dem Neuanfang zu entziehen, und einfach noch ein Jahr hierzubleiben.

Aber  eigentlich ist uns klar, und das war es von Anfang an: Wir sind nur vorübergehend hier. Das Schweden-Abenteuer ist bereichernd, aber es ist nicht unsere Endstation.
So ist es entschieden: Wenn der nächste Winter kommt, werden wir wieder nach Deutschland ziehen, wie von Anfang an geplant.

Wir kommen heim aus den Ländern des Nordens.

G

Glad Påsk!

Wir wünschen Euch frohe und gesegnete Ostern!

In diesen Wochen von Zukunftsüberlegungen, Entscheidungen und In-Ungewissheit-Ausharren haben wir uns für ein ganz ruhiges Osterwochenende entschieden. Wir verreisen nicht, haben keinen Besuch, machen nur kleine Ausflüge zu den umliegenden Spielplätzen. Am Karsamstag kauft Vater Abraham einen Grill und wir eröffnen die Grillsaison. Es liegt noch Schnee. Egal!

Am Ostermorgen sitze ich morgens vorm Gottesdienst in der Chorprobe. Unsere kleine Tochter kann mittlerweile laufen, aber während der Probe setzt sie sich geduldig auf ein Fußbänkchen und hört zu. Als wir das schwedische Osterlied „Dina Händer är fulla av blommor“ singen, da steht die Kleine auf und lacht und wippt in den Knien, wie es nur ein einjähriges Mädchen kann, das feiert, dass seine Balance dazu schon ausreicht.

Wir singen: „Meine Blumen waren für Christi Grab gedacht. Aber er war nicht da, das Grab ist leer, Halleluja!“

Hier eine hoffnungslos aus der Zeit gefallene Version dieses schönen Liedes:

Nachmittags machen wir einen Spaziergang bei der alten Mühle. Weil in Schweden zur Osterzeit noch keine Blume und kein grüner Halm sprießt, werden die Zweige stattdessen mit bunten Federn geschmückt.

Die Kleine lernt in diesen Tagen ein neues Wort: „Ei“.

Gegen Abend werden bei uns zuhause dann wieder illegale Laster-Rennen abgehalten. Das ist ein Gedonner und Gerappel in der Bude, ohrenbetäubend! Aber die Laune ist top.

  

Erst als die Kinder schon schlafen, fällt mir auf: Wir haben vergessen, Eier zu suchen! Aber gut. Wir wissen ja, wo sie sind, nämlich im Kühlschrank unten rechts, frisch gefärbt, und sie werden uns morgen zum Frühstück gut schmecken.

Nun geht unser Ostergruß in die Ferne und wir rufen Euch zu:

„Kristus är uppstånden – ja, han är sannerligen uppstånden!“

Eure Abrahams

Iglu

Am letzten Wochenende war ich mit den Kindern allein in Uppsala. Vater Abraham ist nach Deutschland geflogen, um sich von einem lieben Menschen zu verabschieden.

Ich bin nicht gern Strohwitwe, aber diesmal wird es ein gutes Wochenende.

Bei uns liegt jetzt, Mitte März, richtig viel Schnee. Täglich fallen neue Flocken vom Himmel und machen ringsum alles rein und weiß. So schaufele ich mit den Kindern in unserem Gärtchen einen großen Schneehaufen zusammen. Während der Große immer wieder darauf klettert und runterruscht, höhle ich den Berg von innen aus und baue uns ein Iglu.

Später, als die Kleine schläft, backen wir Waffeln und nehmen sie mit nach draußen, zu einem Iglu-Picknick. Der Große kriecht als erster in die Höhle. Ich selbst passe danach nur noch mit dem Oberkörper hinein, meine Beine bleiben draußen. Ich liege also rücklings waffelessend im Iglu, was sehr gemütlich ist, vor allem, als der Große friert und sich zum Wärmen auf mich setzt. So schaue ich hinauf zur Schnee-Kuppel unserer Behausung und denke nach.

Es ist wohl die Vergänglichkeit, die den Zauber eines Iglus ausmacht. Und die Tatsache, dass es, obwohl selbst so kalt, gegen die Kälte schützt. Ein wenig kommt es mir vor wie unser Leben in Schweden.

Unsere zwei Jahre schmelzen dahin. Gerade erscheint es uns noch wie ein sicheres Heim, aber bald müssen wir ausziehen aus unserem schönen schwedischen Iglu, und weiterziehen. Und hoffen, dass wir woanders wieder ein Zuhause finden.

Was das mit mir macht, kann ich nur schwer in Worte fassen.

Ich bin müde. Ich finde manchmal, ich bin zu müde dafür, dass ich bloß zwei Kleinkinder habe. Andere haben drei oder vier. Ich kann nicht mal behaupten, dass ich nachts zu wenig Schlaf bekäme; unsere Kinder schlafen überwiegend durch. Ich habe einen unkomplizierten Haushalt und kaum Abend-Termine. Warum bin ich so erschöpft, frage ich mich erschöpft.

Vielleicht ist es die Unruhe über die großen Entscheidungen, die anstehen. Am liebsten würde ich einfach mein Iglu behalten. Es erscheint mir gerade so vertraut, so viel wirklicher und sicherer als ein Sommerhaus irgendwo anders.

Plötzlich fragt man uns überall: „Wie sieht es aus, bleibt Ihr noch?“ Einer hat sogar gefragt: „Bleibt ihr jetzt für immer?“

Ein anderer Deutscher sagt: Überlegt es euch gut. Im ersten Jahr muss man sich durchkämpfen, im zweiten kommt man an, aber das dritte Jahr! Das kann man genießen. „Payback-Jahr“, sagt er.

Wir haben immer gesagt, nach zwei Jahren kommen wir zurück. Aber „Zurück“, das merken wir jetzt, ist ein Wort mit vielen Dimensionen. Zurück in unseren letzten Wohnort? Oder den davor? Oder den davor? Oder zur Verwandtschaft? Oder ganz neu anfangen, in der Kleinstadt, die wir letztens so schön fanden, die mit den vielen Sonnenstunden?

Ich versuche, mich zu sortieren, schreibe Listen, denke nur noch in Stichworten.

Bei dem Versuch, in ganzen Sätzen zu denken, erschreckt mich jedes Mal das Tauwetter.

G

Kälte in Värmland

Eines Sommers vor vielen Jahren ist die Familie, in der ich groß geworden bin, nach Schweden verreist, in eine einsame Hütte an einem See irgendwo in Värmland, bilderbuchgleich. Eines der Kinder dieser Familie hat sich damals dermaßen in das Land verliebt, dass es Schwedisch lernte und beschloss, wenn es groß wäre, nach Schweden auszuwandern.

Bloß: Das war nicht ich. Ich war bei diesem Urlaub nichtmal dabei. Ich saß im Studium in einer schönen norddeutschen Großstadt und habe von Schweden nur ein paar Fotos gesehen. Keinerlei Wunsch, dorthin auszuwandern. Kein Brocken Schwedisch gelernt.

Dasjenige meiner Geschwister, das Schweden so liebt, lebt heute mit seiner Familie in Deutschland, fährt aber noch immer jedes Jahr hoch in den Norden. Das ist schön, denn so können wir uns treffen. Dieses Mal besuchen sie Freunde in Värmland, und wir dürfen dazu kommen.

Värmland liegt im Westen Schwedens, an der Grenze zu Norwegen, und ist eine der unberührtesten Gegenden des Landes. Hier gibt es noch riesige Nadelwälder. Elche, Hirsche, Rehe, Füchse, Mücken. Und viel, viel Schnee.

Nach stundenlanger Fahrt über Landstraßen kommen wir zu dem Haus, das „Lasse-Hütte“ heißt, eine Ewigkeit vom nächsten Ort entfernt. Fast 80 cm Schnee sind in den letzten Wochen gefallen. Um das bildlich zu machen: Wenn man einen Schritt in den Schnee macht, sinkt man bis zum Hüftgelenk ein. Und steckt fest.

Wir dürfen die ausgebaute Scheune bewohnen. Draußen herrscht strenger Frost, -13 Grad. Nachts stehen wir immer wieder auf, um Holzscheite in den kleinen Ofen zu legen, damit die Temperatur drinnen erträglich bleibt. Ich muss an ein Buch denken, das ich letztens las, einen „Ratgeber für junge Frauen“ von meiner Urgroßtante aus dem Jahr 1911. Dort stand: „Die Temperatur im Schlafzimmer soll nicht unter 9 Grad sinken“. Ich fühle mich wie um ein Jahrhundert zurück versetzt.

„Ist es in Värmland eigentlich wärmer als hier bei uns?“, hatte unser Sohn im Vorfeld gefragt.

Unsere Gastgeber haben in Fleißarbeit Wege freigeschaufelt zwischen Wohnhaus, Scheune, Klohäuschen und Parkplatz. Diese fühlen sich an wie ein 80 cm hohes Labyrinth. Abseits der Wege kann niemand laufen, man versinkt sofort. Wir sind komplett eingeschneit. Wer weg will, braucht Skier oder Schneeschuhe.

Aber wir wollen ja nicht weg. Wir wollen Schlittenfahren!

Und gezogen werden.

Und im Schnee spielen.

Wir lernen sogar, wie man auf einem zugefrorenen See Löcher bohrt und eine Angel reinhält.

Wie man auf diese Weise Fische fängt, lernen wir allerdings nicht. (Zugegeben, ich finde das nicht schlimm. Ich koche stattdessen abends für die ganze Sippe Linsensuppe.)

Nach 3 Tagen reisen wir wieder ab, um ein Schnee-Erlebnis reicher. Schön, dass wir so etwas kennen lernen dürfen. Schön, dass wir nach Schweden ausgewandert sind. Wer hätte damals gedacht, dass ausgerechnet ich …

G

 

 

 

Februar

Wochenlang wurde es dunkler. Irgendwann war er da, der allerdunkelste Tag, Wintersonnwende, und der nächste Tag war schon wieder etwas heller. Hier in Schweden geht der Lichtwechsel schneller, spürbarer vonstatten. Schließlich müssen wir bis Mitte März alles aufholen, was wir im Vergleich zu Deutschland weniger haben. Nach einem kurzen Gleichstand überholen wir Mitteleuropa und haben danach wieder richtig lange Sonnentage.

Jetzt, im Februar, trägt der schwedische Winter sein schönstes Kleid. Das Land ist mit einer weißen Schneedecke überzogen, die bei jedem Schritt knirscht und im Sonnenlicht glitzert.

Für unsere Vögel haben wir Meisenknödel gebacken. Dass ich das Netz mit bunter Wolle gehäkelt habe, scheint sie nicht zu stören. 

Unser Kindergartenkind bringt uns aus der Förskola jedes Krankheitsvirus mit, und Familie Abraham liegt flach, einer nach dem anderen. Immer wenn wir denken, jetzt ist es überstanden, fängt der nächste an.

Wir sind alle ausgelaugt von der letzten Magengrippe-Epidemie. Nur die Kleine, die hat nebenbei noch Laufen gelernt. Eines Tages richtete sie sich auf und – lief los.

Wie schnell du dich von uns entfernst, wenn du erst gehen lernst“, hat Herman van Veen gesungen, aber ich sehe die ersten Schritte der Kleinen ganz ohne Melancholie. Ich kann mich nur mitfreuen und staunen. Gerade lag sie noch winzigklein im Bettchen, nun tragen ihre Beinchen sie tapp, tapp, tapp von Zimmer zu Zimmer. Überall klettert sie auf Stühle und Tische und freut sich, was sie da oben so alles findet. Nadelkissen! Teekannen! Klebstoff! Täglich danke ich Gott, dass die Kleine wieder einmal unversehrt geblieben ist und so selten irgendwo runterfällt.

Mittlerweile hat sie einen 6 Wörter umfassenden Wortschatz, den sie immer bewusster einsetzt:

  • Mama
  • Papa
  • Linnea („Nee-nee“)
  • Ja
  • Nein
  • Titta“ (schwedisch: Schau mal)

Aber wenn wir mal ehrlich sind, ist das häufigste Wort doch:
„MAMAAA!“

G

Geburtstagszeit

In den letzten Wochen haben wir 2 Geburtstage gefeiert. Vater und Mutter Abraham sind ein Jahr älter geworden und haben wieder einmal erlebt, dass man das mit den Geburtstagen in Schweden einfach anders handhabt als in Deutschland.

Dabei feiert man in Schweden doch ständig. Das Jahr ist eingeteilt in Feiertage, denen sich keiner entzieht. Frühlingsanfang, Nationalfeiertag, Mittsommer, Erntedank, Advent, Weihnachten, Knut… alle paar Wochen wird landesübergreifend gefeiert. Von Lappland bis Schonen wird gesungen, getanzt und man isst eingelegten Hering.

Nur den eigenen Geburtstag, den feiert man: nicht. Man gratuliert auch nicht, sofern es kein runder Geburtstag ist. Stillschweigend verstreicht der Tag, ignoriert von Freunden und Kollegen. In einer Zeitung fand ich folgende Kuriosität, die für meine Beobachtung als Beweis dienen soll:

„Alle eventuellen Aufwartungen zum meinem Geburtstag verbitte ich mir freundlich, aber bestimmt.“

Ihr Lieben, wir hingegen haben uns sehr über jeden Geburtstagsgruß, jede Gratulation gefreut! Danke dafür.

G & V

Eiszeit

Als ich den Großen in den Kindergarten bringe, sagt es die Kindergärtnerin: „Heute gibt es einen Schneesturm.“ Kurz darauf wiederholt es die Krankenschwester beim Kinderarzt, diesmal mit einem vorfreudigen Funkeln in den Augen: „Ein Schneeeeeeesturm!“

Erst freue ich mich mit, dann frage ich mich: Sollte ich vielleicht noch schnell was einkaufen? – Ich mache das sicherheitshalber.

Einen Tag und eine sturmgeschüttelte Nacht später ist alles um uns herum weiß. Endlich! Die Welt wirkt so viel heller, wenn draußen Schnee liegt.

Am Wochenende fahren wir raus aus der Stadt, in ein hübsch gelegenes Naherholungsgebiet. Hier kann man  wandern und skifahren, es gibt Spielplätze und mittendrin einen riesigen, zugefrorenen See.

Man kann Schlittschuhe mieten; nicht solche, wie man sie aus Deutschland kennt, sondern Langlauf-Schlittschuhe mit flachen, langen Kufen. Darauf legt man ohne Kraftanstrengung in Windeseile erstaunliche Entfernungen zurück.

Einen ganzen Tag verbringen wir auf dem Eis. Der Große lässt sich rücklings in den Schnee fallen, wedelt mit Armen und Beinen und hinterlässt überall kleine Schnee-Engel. Und mit den Langlauf-Stöcken malt er ausdauernd Buchstaben in den Schnee.

Die Kleine übt wackelig das Stehen.Wir Eltern sausen Kreise drumherum wie Hütehunde um eine Schafherde.

Hinterher sitzen wir auf Rentierfellen an einem Feuerkorb, wärmen unsere eisigen Füße auf und verzehren unser Picknick.

Letztes Jahr haben wir vom Wintersport in Schweden kaum etwas mitbekommen. Dieses Jahr machen wir laienhaft mit, und merken, wie erholsam es ist, sich nach einer dunklen Arbeitswoche bei Tageslicht an der frischen Luft zu bewegen. Sonne hin oder her. 

G